2022-04-04 LER - PM Einschätzung des Ministers

Position des Landeselternrates Sachsen zur Einschätzung des Ministers, dass es im Hinblick
auf die Abschlussjahrgänge 2020 und 2021 keine Defizite gäbe und man nicht von einer verlorenen Generation sprechen könne…

Wir teilen die Auffassung des Ministers ausdrücklich nicht.
Die Einschätzung ist in ihrer Grundsätzlichkeit falsch, denn hier fehlt (bewusst?) ein notwendig differenzierter Blick bei der Analyse.

Zum Zweiten halten wir fest, dass es seitens des SMK keine soliden Datenerhebungen gibt, die es rechtfertigen würden, der sächsischen Bildungspolitik ein gutes Zeugnis auszustellen.

1. Es gab bis heute keine Lernstandserhebungen in allen Klassenstufen und bezogen auf jedes Fach. Wir wissen schlicht nicht, wo welches Kind welche Lerndefizite hat.

2. Das finanziell gut ausgestatte und verwaltungstechnisch einfach zu handhabenden Programm „Aufholen nach Corona“ wird vor diesem Hintergrund ohne Daten als Erfolg dargestellt. Jedoch wissen wir nicht, in welchen Fächern wieviel Kinder an welcher Schule unterstützt werden. Was wir wissen, dass es im ländlichen Raum mancherorts gar keine Unterstützungsangebote  gibt, an anderen Schulen managen es die Elternräte – ohne Zuarbeit der Fachlehrer! Es ist dem Zufall überlassen, ob die Hilfe da ankommt, wo sie gebraucht wird.

3. Der Abschlussjahrgang 2020 ist mit dem 2021 gar nicht seriös vergleichbar.
Während der Jahrgang 2020 (logischerweise!) deutlich weniger von der Pandemie betroffen
war, sich ohnehin im „Prüfungsjahr“ befand, nimmt die Dramatik von Lerndefiziten zu den
Jahrgängen „nach unten hin“ zwangsläufig zu.
Der 21-er Jahrgang hatte schon ein Corona-Jahr hinter sich, als das Abschlussjahr begann.
Bei den Prüfungsvorbereitungen wurde soweit möglich alles getan, dass sich die Schülerinnen und Schüler gut vorbereiten konnten. Sie waren von Schulschließungen etc. z.T. extra ausgenommen.

4. Die zu erbringenden Prüfungsleistungen waren z.T. angepasst worden, ebenso wurde Lernstoff verringert. Insofern gab es besondere Bedingungen zur Erbringung der Prüfungsleistungen. Dass es sie gab, ist gut und dem hohen Engagement vieler Lehrerinnen und Lehrer zu verdanken. Jedoch stellt dies alles eine Ausnahme dar und spiegelt hier keine Normalität wider.

5. In der Betrachtung fehlen auch die Förderschulen, deren Schüler keinen abrechenbaren Abschluss erlangen. Hier fiel den Eltern die Beschulung zu Haus besonders schwer. Und hier sind
und waren die Defizite aufgrund fehlender Fachbetreuung und der fehlenden sozialen Lerngruppe Klasse kaum aufzuholen.

6. Völlig unerwähnt sind die psychosozialen Beeinträchtigungen, von denen viel Schülerinnen und Schüler betroffen waren und noch sind.

7. Wo ist der Blick auf die Grundschulen – die 4. Klassen der Grundschulen sind auch ein wichtiger Indikator, welcher die Situation an unseren Schulen spiegelt. Dass es erhebliche Defizite bei der Lesekompetenz gibt, hat die Uni Dortmund in einer Studie analysiert. Wie es in Sachsen genau und auch in anderen Fächern aussieht, wissen wir nicht. Denn da fehlen auch die soliden Daten…

8. Von der „Milchmädchenbewertung“ der Abschlussjahrgänge auf das gesamte Schulsystem zu
schließen und festzuhalten, dass eigentlich „alles gut“ ist, macht uns eher fassungslos.
Angesichts von Unterrichtsausfall, bedingt durch strukturellen Lehrermangel und uferlos verstärkt durch die Pandemiejahre so zu tun, als hätten wir alles im Griff, besorgt uns.

9. Dass vor Corona Eltern in Deutschland 1,5 Mrd. € für Nachhilfe ausgegeben haben, hat mit Sicherheit nichts mit einem guten zukunftsfähigen Schulsystem zu tun.

Wir benötigen in Sachsen eine ehrliche Bestandsaufnahme, hierzu brauchen wir solide wissenschaftlich und unabhängig erhobene Daten, die belastbare Aussagen über die Qualität des Sächsischen Bildungssystems erlauben.
Und wir brauchen den politischen Willen zur grundsätzlichen Veränderung. Viele seit Jahren offensichtlich ungelöste Probleme werden halbherzig oder gar nicht angegangen!

Der Vorstand und der erweiterte Vorstand des LandesElternRat

Die Presseinformation zum Download finden Sie hier:

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